Historische Autobahntankstellen-Anlage an der A656
Die Liegenschaft „Stem Kaserne“ nimmt den nördlichen Teil einer historischen Anlage in Mannheim-Seckenheim ein, die aus zwei ehemaligen Autobahntankstellen mit angeschlossener Straßenmeisterei besteht. Der südwestliche Teil der Anlage beherbergt die Geschäftsstelle des Technischen Hilfswerks (THW) Mannheim, der nordöstliche Teil wird wie zur Zeit der Errichtung von einer Straßenmeisterei genutzt.
Errichtung der Anlage
Erbaut wurde die Autobahntankstellen-Anlage im Zeitraum 1938 bis 1939 direkt an der 1935 fertiggestellten A 656 zwischen Heidelberg und Mannheim. Die Autobahnen dieser Zeit bestanden aus Betonplatten mit Dehnungsfugen und hatten eine einheitliche Breite von 24 Meter. Die beiden Tankstellen wurden einander gegenüberliegend, am nordöstlichen und südwestlichen Rand der Autobahn errichtet. Im Norden entstanden weitere Wohn- und Verwaltungsgebäude.
Die Anlage beherbergte eine der sechs Straßenmeistereien in Baden-Württemberg, die ab 1937 eingerichtet wurden, um die Verkehrssicherheit auf den neuen Autobahnen unabhängig von den Jahreszeiten sicherzustellen. Die Meistereien boten die ersten Tank- und Rastmöglichkeiten für Autofahrer an.
Der Stuttgarter Architekt Paul Schmitthenner entwarf die Anlage im Stil des Heimatschutzes. Diese Strömung der deutschen Architektur stellte eine Besinnung auf traditionelle Bauformen dar, die unter Verwendung von ortsüblichen Materialien ungesetzt wurden. Dabei verzichtete man auf die ausschweifenden Verzierungen des Historizismus, aber lehnte zugleich die Sachlichkeit und Funktionalität des Bauhauses ab. Schmitthenner, der 1918 zum Professor für Architektur berufen wurde, war einer der wichtigsten Vertreter der ersten Stuttgarter Schule und wurde sowohl vor als auch nach dem Zweiten Weltkrieg vielfach ausgezeichnet – unter anderem erhielt er 1964 das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland.
Die Tankstellen-Anlage in Mannheim-Seckenheim wurde nach dem Ende der Zweiten Weltkriegs als „Autobahn Kaserne“ von den US-Streitkräften weitergenutzt. Foto von 1949.
Architektonische Merkmale
Die Tankstellen bestehen aus jeweils einem rechteckigen, giebelständigen Tankstellengebäude mit einem offenen, auf Säulen ruhenden Tankraum an der Straßenseite. Das Satteldach der Tankstellen erstreckt sich über den Tankraum und ist mit Ziegeln in Biberschwanzform überdeckt.
Im Nordteil der Anlage befinden sich eine Fahrzeughalle sowie diverse Verwaltungsgebäude. Die Fahrzeughalle hat eine Länge von rund 56 Meter und eine Breite von ungefähr 15 Meter und wurde ursprünglich zur Unterbringungen der Räumfahrzeuge der Straßenmeisterei genutzt. Sie besteht aus graugelben Backsteinen, wobei das Dach mit grauroten Dachziegeln aus Tongruben der Region überdeckt ist.
Alle drei Gebäude weisen Eisenanker an den Stirnseiten aus, die zur Verankerung der Dachstühle und Giebel dienen. Dem Baustil des Heimatschutzes entsprechend, fügen sich die Tankstellen nahtlos in die Landschaft ein. Bei der Errichtung wurden die bodenständigen Materialien und die kleinteilige handwerkliche Gestaltung besonders unterstrichen. Die technische Umsetzung der Dachkonstruktion ist von dem Einsatz spezieller Leichtholzbinder geprägt, die gegenüber herkömmlichen Bindern knapper bemessen sind und daher weniger Materialeinsatz erfordern. In Zeiten der militärischen Aufrüstung konnten die knappen Werkstoffe für den zivilen Einsatz somit optimal genutzt werden.
Beim Abzug der US-Streitkräfte aus der Stem Kaserne am 11. Juni 2009 wurde ein Denkmal des Namensgebers, Brigadegeneral David H. Stem, an den neuen Standort der Einheit in Kaiserslautern überführt. Foto: U.S. Army, Jason L Austin (IMCOM), CC0 1.0.
Nutzungsgeschichte
Nach Kriegsende wurde die Autobahntankstellen-Anlage von den US-Streitkräften übernommen und zuerst als Tankstelle für die Armeefahrzeuge weitergenutzt. Der nördliche Teil der Anlage diente von 1951 bis 1958 zusätzlich als Stützpunkt der Autobahnabteilung der US-Militärpolizei („Highway Patrol“) und beherbergte von 1961 und 1993 ein Theater („Roadside Theater“). Seit dem Ende der Sechzigerjahre war in der Kaserne eine zentrale Kommandoeinheit der US-Militärpolizei stationiert – der „Criminal Investigations Command“ (CID), mit Verantwortung für die Strafverfolgung in mehr als 90 Ländern in Europa und Afrika.
Bis 1988 trug der nördliche Teil der Anlage den Namen „Autobahn Kaserne“ bevor sie zu Ehren von Brigadegeneral David H. Stem umbenannt wurde. Stem, der 1987 bei einem Unfall im Dienst umgekommen war, hatte während seines Dienstes für den „Criminal Investigations Command“, die Zentralisierung der Strafverfolgung innerhalb der US-Armee maßgeblich vorangetrieben.
Im Juni 2009 zogen die auf der Stem Kaserne zuletzt stationierten US-Einheiten ab oder wurden in andere Kasernen in Europa verlegt. Dazu gehörten neben dem „202nd MP Group (CID)“, auch das „European Special Investigations and Fraud Field Office“, die örtliche Hundestaffel der Militärpolizei sowie eine Einheit des amerikanischen Versorgungsdienstes „Army and Air Force Exchange Service“ (AAFES).
Seit Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der südliche Teil der Anlage durch die Johanniter-Unfallhilfe und dem Technischen Hilfswerk genutzt. Heute ist dieser Bereich der denkmalgeschützten Anlage Bestandteil des in Entstehung befindlichen Gewerbegebietes Friedrichsfeld West.
Die Stem Kaserne -nördlicher Teil der Anlage- wurde 2010 an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) übergeben. Der Teil der ehemaligen Kaserne entlang der Autobahn mit der denkmalgeschützten Tankstelle wird gegenwärtig als Straßenmeisterei genutzt. Die restliche Fläche der ehemaligen Stem Kaserne mit der denkmalgeschützten Fahrzeughalle steht für eine Entwicklung im Rahmen der Konversion zur Verfügung.